Das Jugendwohnheim im Kinderheim Köln Sülz (1979 bis 1984) (Mein Heimerlebnis)
Das Jugendwohnheim im Kinderheim Köln Sülz (1979 bis 1984)
Meine ganz eigene Geschichte
Als zweiter Spross einer ganz normal geschiedenen Familie mit ausreichend eigenen Problemen bin ich nach vielen Tennisaufenthalten`79 in der Aufnahmegruppe am Sülzgürtel aufgetaucht.
Damals war ich 12 Jahre alt und bin wohl dadurch dem Trauma meiner Eltern entflohen. Das war zwar noch nicht zu Ende aber davon später mehr…
Ich glaube, nach einer orientierungslosen Woche in der Aufnahmegruppe hat irgendwer entschieden, dass ich wohl am besten im Jugendwohnheim aufgehoben bin. Also ab, rüber zu Neumann, Rehbach, Gibson und co., ab sofort meine Erzieher für die nächsten Jahre.
Ja, ich kenne noch ihre Namen und ihre Sillueten schwirren mir im Geiste umher aber das war es auch, was als prägende Erinnerung nach rund 40 Jahren geblieben ist.
Das Jugendwohnheim habe ich als einen Ort der Gewalt in Erinnerung.
Ich war damals ein großer, sehr schmächtiger Junge, den selbst ein kräftiger Windstoß umgeworfen hätte.
So war ich natürlich ein leichtes Opfer der vielen anderen, durch ihr eigenes Schicksal geprägten Jungs. Ich glaube, damals war ich mit 12 Jahren einer der jüngsten meiner Jahrgänge und das war nicht leicht.
Eine Erziehung genießt man nur nebenbei. Regeln, die es gilt, galt es auszutesten und seinen Wege zu finden.
Meine Wege waren die Flucht vor allem. Gesellschaft, Miteinander, Freundschaften, das alles wollte ich nicht an dem Ort finden, der mir nicht gut tat.
Warum bin ich eigentlich hier gelandet???
Wer hat dass denn damals entschieden???
Für das „Lehrlingsheim“ war ich wohl noch etwas jung. Ich gin schließlich noch zur Schule. Ach ja, die war in Müngersdorf. Also nicht direkt um die Ecke, was auch den Aufbau von außerschulischen Aktivitäten mit Mitschülern schwierig machte.
So blieb mir nur, mich von allem zu lösen und neue Gesellschaften zu gestalten. (Rückblickend hat sich das rigorose Abbrechen von Beziehungen durch mein Leben gezogen.)
In meinem Fall war da ein Junge in meinem Alter der nicht im Heim wohnte.
Marco M., Eltern geschieden, hatte Weihnachten einen Unfall mit dem Fondu und seitdem eine fette Vernarbung am Hals.
Mein Alltag gestaltete sich ganz normal, für einen Heimling, der da nicht sein wollte. Frühstück, Schule, Mittagessen, Weg vom Heim, ab auf die Strasse, Abends an Hr. Neumann vorbeischleichen, 22:30 Flucht aus dem Fenster, nach 24:00 Uhr durch das angelehnte Fenster reinschleichen oder sich den Ärger von Neumann abholen. Irgendwann war das dann aber auch egal. Ich kann mich an späte Begegnungen erinnern, wo nur noch die 15 DM Thema waren, die ich zahlen musste, wenn ich erwischt wurde.
Mit meinen Mitbewohnern wollte ich nichts zu tun haben. Das lag wohl daran, dass ich schwach und unsportlich war und für alle das perfekte Opfer um deren Stärke zu beweisen.
Also, Blick nach links um die Ecke, kurz zum Erzieher geschaut. Nee nee, da ist keine Unterstützung zu erwarten, also ab durchs Fenster und bis heute Nacht…
Jeep, so war das.
Ha, wer kann sich noch an Wisky erinnern???
Den kroatischen Köter, den wir im VW Bus mit Hr. Gibson und der netten Erzieherin mitgebracht hatten.
Wie die Dame heißt, kann ich nicht mehr sagen aber wir hatten ihre Brust gesehen, als sie mutig einen Felsen runtersprang.
Was für ein Sommer
Später habe ich mich auch von den Sommeraktivitäten fern gehalten.
Ich gehörte da nicht hin.
Alles in Allem war das eine einsame Zeit, nie hat jemand gefragt, wie die Wochenenden bei meiner Mutter gewesen waren. Nie hat jemand meine Entscheidung hinterfragt, dass ich Anfang meiner Ausbildung zurück zu meinem Vater oder später auch zu meiner Mutter und wieder zurück und dann wieder und wieder… Tennis.
Wo waren die Pädagogen, wo war die Betreuung. Wir waren versorgt, alleine aber untergebracht.
Wie es uns ergangen ist, was wir durchmachen, welche Möglichkeiten wir hatten war niemandem wichtig.
Man kann wohl nicht alle retten, sondern nur die, die es aus eigener Kraft schaffen…
Hat man da denn dann alles getan???
Daraus und für mein Leben habe ich gelernt, dass man nur alleine für sein Schicksal verantwortlich ist.
Den meisten ist man egal.
Auch Gesellschaftspolitisch hat sich da nichts geändert. Kinder und Jugendliche werden auch heute nur verwaltet.
Das ist kein Vorwurf an die Erzieher, Lehrer oder andere Personen im Umgang mit schutzbedürftigen Kindern.
Nein, alle haben ein eigenes Leben und sie müssen sich beruflich abgrenzen.
Wir, die Weisen, Scheidungskinder oder Opfer der aktuellen Umstände sind die Verlierer der Gesellschaft.
Ich persönlich, habe endlich mit 45 meine eigene Familie gefunden.
Es war ein steiniger Weg mit vielen vielen Hubbeln. Jede Beziehung hat mich zum einem guten, reflektierenden Menschen geformt.
Heute geht es mir Gut und Rückblicke sind nicht immer einfach.
An alle Mitstreiter, Heimlinge, Verlassene, Verweiste und Flüchtlinge möchte ich weitergeben, dass nur du dein Glück in der Hand hast.
Dem einen oder anderen wird ein wenig mehr mitgegeben aber wir, wir schaffen das aus eigener Kraft.
Auf bessere Zeiten
Eddweb