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ein wenig von mir-wenn auch nicht sonderlich spektakulär (Mein Heimerlebnis)

hütchen @, köln, Montag, 29.03.2010, 20:04 (vor 5114 Tagen)
bearbeitet von hütchen, Donnerstag, 08.10.2015, 20:10

Ich bin `68 als Dreijährige nach Sülz gekommen, zusammen mit meiner 9 Jahre älteren Schwester Roswitha. An die an dem Tag herrschenden Umstände kann ich mich nicht mehr erinnern.
Wir haben im Haus Ursula bei Schwester Clara Renata gelebt. Und bis auf ein paar Ausnahmen nicht schlecht, soweit ich mich erinnern kann. Wobei allerdings einige dieser Ausnahmen mich noch bis heute im Griff haben. Z.B. ein ständiger Durst. (Wir durften beim Abendbrot nur wenig trinken, was mich dazu veranlasste bei jeder Gelegenheit den Wasserhahn leer trinken zu wollen.)

Bleib ich mal kurz bei den schlimmen Sachen: Toilette – Schwester Clara Renate saß bis spät in die Nacht auf einem Höckerchen im Flur und wachte darüber, dass wir nicht auf Toilette gingen (ich kann dazu nur sagen: Not macht erfinderisch).
Essen - Wir mussten Samstags (?) grüne Bohnensuppe mit saurer Milch essen (die einige Tage auf der Fensterbank vor sich hin gegammelt hatte) und das Häutchen von der warmen Milch mitschlucken (WÜRG). Die Bohnensuppe kam mir regelmäßig wieder hoch. Was dazu führte dass ich auf die Küchenanrichte gesetzt wurde und mir das hochgekommene wieder eingetrichtert wurde.
Ein heftiges Erlebnis hatte ich irgendwann nach der Einschulung (mit 6). Ich hatte Durchfall und schaffte es nicht mehr auf die Toilette, in Höhe der Pforte machte ich mir in die Hose. In der Gruppe versuchte ich die Sache zu vertuschen und mich in der Toilette zu säubern. Aber ich wurde von einer Jüngeren Namens Marina verpetzt. Dann wurde ich samt beschissener Hose in die Wanne gesetzt. Dort musste ich erst die Hose und dann mich säubern.

Dann gab’s da noch die Gebete morgens, mittags und abends vor dem Kreuz. Kniend und mit gefalteten Händen.
Das war es auch schon an schlimmen Erlebnissen. Es sei denn ich hab Einige verdrängt, was ich allerdings nicht wirklich glaube.

Aber trotz dieser paar Erlebnisse empfand ich Schwester Clara Renata als recht liebevoll.
Und in Erinnerung sind mir all die schönen Weihnachten mit Glöckchen, Schiebetür, Gesang und Festbeleuchtung geblieben. (Und schöne Geschenke – sicher mehr als eins – gab’s auch.)
Und all die schönen Ferien mit leckeren Butterbroten, Ausflügen, Kreisspielen, Basteleien und was sonst noch. (Einmal, ich war so um die 7 – war wohl das letzte Jahr mit den Nonnen – waren wir in Steinfeld im Wald Hütten bauen. Und - ich glaub es war Marie-Luise W., oder Gertrud K. – kam des Weges mit einem langen Brett. Sie drehte sich schwungvoll um und der rosige Nagel, der sich am Ende des Brettes befand, landete in meinem Ohr. Hab die Narbe noch heute.)

Zur Nonnenzeit war auch noch Frau Vigelius meine Erzieherin, welche auch direkt nach verlassen der Nonnen kurz Gruppenleiterin war - soweit ich mich erinnere. Und auch wir hatten eine Haushaltshilfe (Gott? sei Dank aber nicht so eine wie Fr. Haarmacher). Aber ich kann mich nur noch daran erinnern dass sie ziemlich beleibt war, sehr lieb und oft Naturjoghurt aß. Danach übernahm Agnes Willerscheidt (später Pley) die Gruppe. Dann kam Frau Schröder. Dann wechselte ich mit oder zu Klara Kolbe ins Haus Hermann-Josef (unten rechts) und schloss dann mit Franz Ocklenburg meine Rundreise der Gruppenleiter/innen ab.
In all den Jahren nach den Nonnen hab ich ausschließlich Gutes erlebt (soweit es nicht meine persönlichen emotionalen Angelegenheiten anging).

Mit 16 zog ich auf die Etage der Selbstversorgermädels. Wo auch schon Birgit und Inge lebten. Auch waren dort Andrea, Michaela, Angelika, Heike und Ingrid. Es war schön so jung schon alleine leben zu dürfen, auch wenn es für mich möglicherweise nicht das Richtige war.

Ich hab in meinen gut 15 Jahren Kinderheim viele schöne Sachen erlebt, wovon ich so Einiges vergessen hab. Gut erinnern kann ich mich (außer an die oben genannten Dinge)
- an viele liebevolle, helfende, humorvolle, pädagogisch wertvolle Erzieher/innen
- an die Brotknäppchen
- an kalte gekochte Kartoffel (hmm, lecker) und noch mal: an das soo leckere Schokoladeneis
- an die Milch die in großen Blechkannen aus der Küche geholt wurde
- an den Karnevalszug der durch das Gelände ging
- an das Gefühl die große Schwester für meine kleinen Geschwister zu sein (als wir zusammen in Gruppe Schröder waren)
- an eine grüne, hundehaufenfreie Wiese zum Spielen
- an Sommerfeste (oder zumindest das Gefühl von Sommerfesten)
- an das Konzert der Black Föös (wenn auch eher wieder nur an das Gefühl)
- an meine erste Ferienreise mit der Caritas in die Schweiz
- an meine “Geburtstagsküsse“ für Dieter H. (ich war ca. 13)
- an den Tag als ich mit 14 in der Jugendwohnheimdisco zur Maikönigin gewählt wurde (mit dem komischen großen Kerl der dort 'Fuß'(?) genannt wurde)
- an eine wunderschöne, sommerliche Fahrradtour (auf der Rahmenstange) mit meiner ersten Liebe (H-J M.)durchs Gelände, mit knapp 15
- an Irish Coffee bei Norbert(?) unterm Dach
- an ein Teeservice das eine gewisse Person von den Mädchenselbsversorger in die große Mülltonne geworfen hatte, und welches ich unter Tränen wieder raus holte
... und an noch so einige andere Dinge aus meinem Leben.

Und an Eines kann ich mich auch noch sehr sehr lebhaft erinnern: Viele Jahre lang hatte ich als Kind ein Ritual. Ich streifte im Vorbeigehen die kleinen grünen Blättchen der Sträucher ab (die sich so toll abziehen lassen) und streute sie hinter mir auf den Weg, damit mein Vater (den ich als Kind sehr liebte) den Weg zu mir finden würde.

Das war’s – ein bisschen von mir. Zwar längst nicht alles, aber da ich ja, wie schon so oft erwähnt, sowieso ne Menge vergessen hab, ist das schon ok so.

Heute, mit 45, lebe ich allein (und zwar aus Überzeugung) mit meinem Sohn (der allerdings, zumindest laut Ausweis, auch schon Erwachsen ist). Ich denke ich bin auch schon durch einige kleine Tiefen gegangen und bin - auch wenn nicht alles richtig ist in meinem Leben, ich nicht viel habe, nicht viel erlebt habe, und eher ziellos durchs Leben streife -, ein recht lebensbejahender Mensch der sich an dem erfreut was er vorfindet und hat.

Sülz war gut für mich und ein richtiges zu Hause.

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einschulung mit 6 ('71)
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mein erstes karneval in sülz (also entw. '68 o. '69), ich bin der fliegenpilz
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das war um die weihnachtszeit (so um '70 - `72), hab eine post geschenkt bekommen
(hinten ingo? und karin w.)

ps: hab was geändert - es war nicht andrew, es war norbert(?)

NACHTRAG: Agnes Willerscheidt übernahm die Gruppe nicht, ich war für ein paar Monate zu Hause und kam dann bei meiner Neuaufnahme in diese Gruppe. Dort lebte ich ein paar Jahre mit meinen jüngeren Geschwister, Karl-Heinz und Sabine, zusammen. (dies wurden in familien vermittelt, nicht unbedingt bzw. absolut nicht zu ihrem vorteil, doch das bekam ich erst jahrzehnte später raus.)


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